Neue Ansätze in der Alzheimertherapie – Ist Cannabis eine Alternative?
Dank moderner Medizin und stabiler Lebensverhältnisse wird unsere Bevölkerung immer älter. Viele Menschen erfreuen sich inzwischen bis ins hohe Lebensalter bester Gesundheit. Dennoch steigt mit der höheren Lebenserwartung auch das Risiko der Alzheimerkrankheit. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Zahl der Neuerkrankungen in den nächsten 50 Jahren verdreifachen wird. Neue Behandlungsstrategien zeigen vielversprechende Lösungswege auf.
Das langsame Vergessen
Oma legt ihre Brille im Kühlschrank ab, Vaddi vergisst die eigene Hausnummer, Tante Sophie kennt ihren Neffen nicht mehr. Kleine und große Vergesslichkeiten können einfach altersbedingte Erscheinungen sein. Vielfach sind Verkalkungen der versorgenden Gefäße Ursache dafür, dass ein 85-jähriger nicht immer über das Konzentrationsniveau eines 30-jährigen verfügt. Dennoch wird diese Form der Demenz oft mit der gefürchteten Alzheimererkrankung in einen Topf geworfen, sind doch immerhin bis zu 60% der Demenzkranken von Alzheimer betroffen. Hier liegt jedoch ein grundsätzlich anderer Mechanismus vor.
Warum Menschen an Alzheimer erkranken ist bislang noch nicht abschließend geklärt. Daher können auch keine Empfehlungen zur Prävention gegeben werden. Allerdings wirkt sich ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung, pflanzlicher Kost und einem geistig regen Sozialleben positiv auf die Prognose und den möglichen Beginn einer Erkrankung aus. Gesichert ist jedoch, dass bestimmte körpereigene Eiweiße für eine Störung der Reizweiterleitung verantwortlich sind. Das sogenannte Beta-Amyloid lagert sich an den Nervenenden ab. Beim gesunden Menschen werden diese so genannten Alzheimer-Plaques durch Enzyme abgebaut. Beim Alzheimer-Patienten funktioniert dieser Abbau nicht mehr.
Ebenso an der Entstehung beteiligt ist das Tau-Protein. Dieses bildet eigentlich die sogenannten Mikrotubuli, die die Struktur der Nervenzelle aufrecht erhalten. Das Tau-Protein wird allerdings bei der Alzheimer-Erkrankung chemisch verändert, das Skelett der Zelle fällt zusammen. Damit verliert sie auch ihre Funktion. Das Gehirn schrumpft. Typische Symptome sind zunächst Vergesslichkeit. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis leidet schnell. Im weiteren Verlauf treten Sprachstörungen auf. Die Patienten verlieren die Fähigkeit, bekannte Menschen zu erkennen und ihre Bewegungen zu koordinieren. Oft leiden die Erkrankten unter häufigen Stimmungswechseln, Aggressionen und Ängsten. Daher wird die Krankheit spätestens jetzt zur Belastungsprobe für Angehörige und Pflegekräfte. Im Endstadium “vergisst” der Patient grundlegende Körperfunktionen, so dass schlussendlich auch das Schlucken und Atmen “vergessen” werden.
Der Geißel des Alters den Schrecken nehmen
Mit verschiedenen Ansätzen versuchen Forscher der Alzheimer-Krankheit zu Leibe zu rücken. Bislang allerdings nur mit mäßigem Erfolg, da die ursächliche Behandlung auf Grund derunbekannten Entstehungsmechanismen nicht möglich ist. Der Verlauf kann aber – insbesondere bei einer frühen Diagnosestellung- verlangsamt werden. Damit kann nicht nur die Lebensqualität der Patienten positiv beeinflusst, sondern auch die immensen Kosten gesenkt werden, die eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung eines Alzheimerpatienten nach sich zieht. Es gibt vielversprechende Behandlungsansätze, die derzeit aber noch in der Studienphase stecken.
Im Focus der Forschung steht vor allem die Verhinderung der Amyloidablagerungen. So wird unter anderem die Wirkung des Wirkstoffs Tarenflurbil getestet, der bisher als Entzündungshemmer eingesetzt wurde. Er wirkt auf Enzyme, die die Amyloidproduktion ankurbeln. Wenn durch den Wirkstoff die Aktivität dieser Enzyme eingeschränkt werden kann, ohne andere Körperfunktionen zu beeinträchtigen, kann dies einen Meilenstein in der Behandlung von Alzheimer bedeuten.
Andere Ansätze betrachten die Verklumpung des Amyloids zu den gefürchteten Plaques. Wird die Zusammenballung zu Plaques verhindert, kann das Amyloid vom Körper abgebaut und abtransportiert werden. Hierzu wird der Wirkstoff Tramiprosat klinisch erprobt. Aufsehen erregte eine mögliche Alzheimer-Impfung, die zum Ziel hatte, bereits vorhandene Plaques zu entfernen. Da aber ein ernst zunehmender Anteil der Testpatienten mit einer Hirnentzündung reagierte, wurden die Tests abgebrochen. Nun wird versucht, ein Äquivalent zu finden, dass keine Entzündungsreaktionen hervorruft.
Das Gras wachsen hören – CBD Öl gegen Alzheimer?
Seit einigen Jahren erlebt das CBD-Öl, ein Auszug des Cannbiol mit einem geringen Anteil an THC (unter 1%) einen wahren Hype. Das Öl soll Erfolge in der Behandlung von Krebs, Depressionen, Magen-Darm-Erkrankungen, Allergien, Akne und vielen weiteren Krankheiten feiern. Zwar steht hier der Wunsch nach einem nebenwirkungsarmen, aber dennoch hochpotentem Arzneimittel im Vordergrund. Auf Grund der nicht eindeutigen Studienlage ist jedoch Vorsicht walten zu lassen.
Zwar wurde in mehreren Studien ein positiver Effekt von THC auf die Ablagerungen des Amyloids nachgewiesen. Hier wurden aber höheren Dosen eingesetzt, als in dem legal zu erwerbenden Cannabidiol Öl vorhanden sind. Außerdem wurde das THC nur an künstlich gezüchteten Nervenzellen getestet, nicht jedoch konkret im Tierversuch oder bereits in klinischen Studien. Bisherige Erfolgsmeldungen beruhen mehr auf Erfahrungsberichten, denn auf evidenten Studienergebnissen.
Dennoch kann CBD-Öl einen positiven Einfluss auf die Stimmungslage des Patienten haben. Es soll entzündungshemmend und entspannend wirken. Zwei Eigenschaften, die die grundlegenden Symptome der Alzheimerdemenz positiv beeinflussen können. Eins systematisches Review verschiedener Studien und Berichte kam indessen 2018 zu dem Schluss, dass die Nebenwirkungen von Cannabis gegenüber den positiven Effekten überwiegen.
CBD-Öl kann also nur ergänzend zu einer Therapie eingesetzt werden, als Wundermittel ist es jedoch nicht geeignet bzw. kritisch zu betrachten. Die Erforschung von Cannabis und seiner Derivate im Hinblick auf Alzheimer steckt noch in den Kinderschuhen. Einer objektiven und systematischen Erforschung stehen neben ethischen, vor allem rechtliche Gründe entgegen. Solang aber keine evidenten Ergebnisse zur THC-Wirkung vorliegen, kann noch nicht von einem Durchbruch in der Alzheimerforschung gesprochen werden. Vorsicht ist auch bei der Suche nach bestätigenden Studien walten zu lassen. Viele Seiten, die die durchschlagende Wirkung des Cannabis propagieren, lassen spätestens im Impressum erahnen, dass sich dahinter Anbieter oder Interessensgemeinschaften von CBD-Produkten verbergen.
Alzheimer wird wohl leider noch länger das Schreckgespenst des Alters bleiben. Die Wissenschaft arbeitet mit Hochdruck an Mitteln und Wegen, die Krankheit aufzuhalten. Neben bereits aus anderen Einsatzgebieten bekannten Medikamente, könnte auch THC eine wichtige Rolle spielen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.